Komitee gegen den Vogelmord e.V. Committee Against Bird Slaughter (CABS)

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Lockvögel – woher nehmen, wenn nicht stehlen?

Amsel als Lockvogel in Norditalien. Gezüchtet, gefangen oder aus dem Nest geklaut?
Amsel als Lockvogel in Norditalien. Gezüchtet, gefangen oder aus dem Nest geklaut?

Bei der Zugvogeljagd sind in Italien – wie in vielen anderen Mittelmeerländern - lebende Lockvögel erlaubt. Ihr Einsatz macht die Jagd erschreckend effektiv. Die Tiere werden in kleinen Käfigen um Jagdeinrichtungen platziert und locken mit ihrem Gesang Artgenossen vor die Flinten. Damit sie im Herbst – zur Jagdzeit – überhaupt singen, werden sie vorher im Dunkeln gehalten und missverstehen das Septemberlicht als Frühlingsbeginn.

In Italien, wo das Phänomen sehr verbreitet ist, fristen zwischen 700.000 und 900.000 Drosseln und Lerchen ein Dasein unter unsäglichen Bedingungen. Rund 100.000 Tiere sterben jedes Jahr und müssten ersetzt werden, um den Status quo beizubehalten. Doch der Vogelfang ist seit 1993 verboten und auch die in der Lombardei immer wieder erteilten Ausnahmegenehmigungen zum Fang von Lockvögeln gehören nach unseren Klagen vor Gericht seit 2014 der Vergangenheit an.

Im Prinzip eine Erfolgsgeschichte, denn ohne Nachschub an Lockvögeln bricht der Zugvogeljagd in Italien ihr wichtigstes Hilfsmittel weg. In der Folge würden Millionen Vögel weniger geschossen. Doch der Tiermarkt wird nun Jahr für Jahr mit angeblich gezüchteten Vögeln geflutet.

Amseln, Wacholder-, Sing- und Rotdrosseln zu züchten ist schwierig und kostspielig. Man benötigt große Volieren und viel Erfahrung. Feldlerchen zu züchten ist sogar fast unmöglich, denn die Tiere benötigen zur Brut eine offene Landschaft, die sich in einer Voliere kaum nachbilden lässt. Und dennoch werden auch Lerchen oft als Nachzuchten angeboten.

Bei Vogelhändlern im Jahr 2023 in Italien sichergestellte Drosselküken aus Polen
Bei Vogelhändlern im Jahr 2023 in Italien sichergestellte Drosselküken aus Polen

Die Transformation vom gewilderten zum gezüchteten Tier führt über Ringmanipulation: Bei der augenscheinlichsten Methode wird der geschlossene Ring aufgeschnitten, um das Vogelbein gelegt und z.B. mit Lötzinn wieder verschlossen. Eine weit verbreiteter Weg ist das Weiten des Rings, so dass er auch einem ausgewachsenen Vogel über die Füße gestülpt werden kann. Dreiste Fälscher belassen ihn danach geweitet, die etwas schlaueren verengen ihn anschließend wieder. Bei der „Königsklasse“ wird der Innendurchmesser des Rings durch eine Feile vergrößert – er bleibt dadurch also im Außenmaß wie vorgeschrieben und deswegen auf den ersten Blick unverdächtig.

Den Fälschern auf die Spur zu kommen, ist alles andere als leicht. Kontrollen der Zuchtbetriebe sind aufgrund der Vielzahl zu untersuchender Vögel logistisch schwierig und werden von den Behörden ungerne gemacht. Aktuell konzentriert man sich auf die Jäger selbst. In jedem Herbst überprüfen die Polizeibeamten in Norditalien bei 40 bis 50 Jägern die Lockvögel. Teilweise werden sie von Fachleuten des Komitees gegen den Vogelmord begleitet, oft sind wir aber auch die Hinweisgeber auf verdächtige Lockvogelhaltungen. Bei fast allen Kontrollen werden dabei Manipulationen festgestellt – vielfach ist sogar die Mehrzahl der untersuchten Vögel illegal beringt. Oft sind die Ringe so stark geweitet, dass sie den Tieren fast von den Füßen rutschen! Besonders auffällig ist es bei Feldlerchenjägern, bei denen durchweg alle Lockvögel keine ordnungsgemäßen Ringe tragen.

Ins Visier der Polizei sind aber auch Schmuggler geraten: Händler, die illegal gefangene Vögel aus nach Italien geschleust haben, wurden gefasst, dutzende Personen verhaftet. Ihre Abnehmer waren große „Zuchtbetriebe“ in Norditalien – vor allem in der Lombardei, Venezien und im Friaul, aber auch in der Toskana, Umbrien und Marken.

Je umfangreicher die Kontrollen werden, desto klarer zeichnet sich ab, dass nahezu die gesamte Lockvogeljagd mit ihren über 80.000 beteiligten Jägern in Italien auf illegalen Füßen steht. Ein gut organisiertes Netzwerk aus Vogelfängern, Fälschern und Tierschmugglern versorgt die Waidmänner, die sich kaum damit herausreden können, in gutem Glauben gezüchtete Vögel zu erstehen.

Die Politik - insbesondere die regionalen Parlamente - versucht unterdessen, diese Kontrollen zu erschweren. So sind erst im Jahr 2022 zwei Gesetzesvorhaben dazu gescheitert. In einem wollte die Regionalregierung der Lombardei den Polizeibeamten verbieten, die Lockvögel anzufassen (weil sie keine Ausbildung dafür hätten und die Tiere verletzen könnten). In einer anderen zum Glück verworfenen Verordnung wollte die Lombardei die Verwendung offener (leicht fälschbarer) Ringe erlauben. Bislang konnten aber alle derartigen Versuche vereitelt werden.

Das Komitee gegen den Vogelmord hat seine Erfahrungen mit der Aufdeckung von Ringmanipulationen in einem Leitfaden für Naturfreunde und Behörde zusammengefasst (in englischer Sprache):

Bred in a Trap - Leitfaden zum Erkennen von Ringmanipulationen bei Wildvögeln (in Englisch)